Gartenstadt-Genossenschaft Mannheim eG
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Ausgabe 10/ 2003

Bisher unbekannter Mitbegründer Dr. Fritz Wichert

Als 1943 unser Genossenschaftsbüro in der Waldstraße 17-19 einem schweren Luftangriff zum Opfer fiel, sind fast unsere gesamten Akten, darunter auch das Mitgliederregister, ein Raub der Flammen geworden. Der außerordentlich schwere Tresor lag nach dem Krieg unter einem riesigen Schuttberg im Keller des ehemaligen großen Sandsteingebäudes. Selbst sein wichtiger Inhalt war verkohlt und nicht mehr zu gebrauchen. Da zu allem Unglück auch das beim Amtsgericht Mannheim geführte Genossenschaftsregister einen Großteil seiner Bestände verloren hatte, war es uns nur möglich, aus den vorhandenen Resten die Mitglieder, die etwa 1934 noch eingetragen waren oder danach neu eingetragen wurden, in ein neu angelegtes Verzeichnis abzuschreiben. Die Mitglieder, die vor diesem Zeitpunkt aus der Genossenschaft ausgeschieden waren, sind leider nicht mehr feststellbar. Wegen dieses Verlustes konnte bisher so mancher verdienten Persönlichkeit nicht gedankt werden, wenn wir uns mit der Geschichte der Genossenschaftsgründung befassten. So war es uns auch nicht bekannt, dass der erste Mannheimer Kunsthallendirektor Dr. Fritz Wichert unter den 39 Frauen und Männern war, die am 26. August 1910 die Satzung der Gartenvorstadt-Genossenschaft unterschrieben und damit dem Unternehmen zur Existenz verhalfen. Der Bericht des Vorstandes zum Geschäftsjahr 1910/11, sie sind zu einem Abschluss zusammengefasst worden, spricht immer noch von 39 Mitgliedern, bemerkt aber dazu, „eine große Anzahl von Mitgliedern wurde erst im April 1912 beim Registergericht angemeldet“. Es kann daher angenommen werden, dass viele der dann eingetragenen Mitglieder schon am Ende der Gründungsversammlung oder kurz danach ihren Beitritt erklärt haben. Weshalb die Anmeldung bzw. Eintragung so spät erfolgte, lässt sich nicht mehr belegen. Übrigens, wenige Tage vor der Genossenschaftsgründung, nämlich am 22. August hatte Wichert gerade seinen 32. Geburtstag an seinem Urlaubsort feiern dürfen. Frau Dr. Christel Heybrock hat am 21. August 2003 im MM an den Geburtstag Fritz Wicherts vor nunmehr 125 Jahren sehr schön erinnert und sein wichtiges Schaffen für Mannheim eindrucksvoll und kompetent gewürdigt.

Dass Dr. Wichert zu unseren Förderern gehörte, wurde uns erst jetzt über die Recherchen zu Dr. Otto Moericke bekannt. Im Stadtarchiv fand sich eine Postkarte, die Dr. Moericke am 21. August 1910 an Wichert u. a. mit folgendem Wortlaut schrieb: „Es ist nun doch beschlossen worden, dass, anstelle der von uns damals besprochenen einen großen Versammlung, ein Zyklus von 5 einzelnen Vorträgen über die Gartenstadtfrage veranstaltet werden soll. Die Vorträge werden etwa zwischen dem 15. September und 15. Oktober im alten Bürgerausschusssaal stattfinden, wo Sie letzten Winter sprachen. Dort wären nun, denke ich, Lichtbilder wohl angebracht, und da deren Ankündigung beim Publikum immer zieht, entschließen auch Sie sich vielleicht dafür. Gute und schlechte Wohnungseinrichtungen könnten durch Beispiele und Gegenbeispiele vorgeführt werden. Vielleicht wäre passendes Material durch den Dürerbund zu bekommen“.

Manuskripte über die fünf Vorträge gibt es leider nicht. Wir wissen indessen, wer die Vorträge gehalten hat: Stadtsyndikus Dr. Otto Moericke, Rechtsanwalt und Reichstagsabgeordneter Dr. Ludwig Frank, Dozentin der Handelshochschule Dr. Elisabeth Altmann-Gottheiner, Arbeitersekretär Richard Böttger, der spätere Sozialbürgermeister und Ehrenbürger der Stadt, und, was wir die ganze Zeit nicht wussten, eben dieser erste Direktor der Kunsthalle Mannheim, Dr. Fritz Wichert.

Wie über diesen Vortrag erfuhren wir auch über die bestandene Mitgliedschaft aus den Akten des Stadtarchivs Mannheim. Im Nachlass Dr. Wicherts fand sich ein Schriftwechsel zwischen ihm und der „Gartenvorstadt-Genossenschaft“ aus dem Frühjahr 1919. Dr. Wichert kündigte in einem Brief vom 6. März aus Berlin seine Rückkehr nach Mannheim im Mai an.

Mehr war über die Zusammenarbeit Dr. Wicherts mit der Genossenschaft leider nicht zu erfahren. So bleibt uns hauptsächlich das Wissen um seine großen Verdienste um die zu den bedeutenden Museen in Deutschland zählende Mannheimer Kunsthalle. Oberbürgermeister Paul Martin, ebenfalls ein Bewunderer des Gartenstadtgedankens, er hatte bei einem Besuch der Siedlung zu Dr. Moericke gesagt „hier möchte man selber wohnen“, holte den jungen Dr. Fritz Wichert 1909 vom Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt - benannt nach dem Bankier Johann Friedrich Städel, der durch eine große Stiftung diesen Kunsttempel ermöglicht hatte, nach Mannheim. Die Kunsthalle war zum Stadtjubiläum 1907 zwar fertig gestellt, aber es mangelte noch an entsprechenden Exponaten, um die neuen Räume füllen und Mannheim zu einem guten Ruf in Kreisen der Kunst verhelfen zu können. Zu dieser Zeit waren bereits Spitzweg, Schirmer, Anselm Feuerbach, Pissaro, Sisley u.a. zu sehen. Aber diese Reihe sollte durch eine stärkere Berücksichtigung der Gegenwartskunst verstärkt werden. Wichert erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen in einem hohen Maß. Innerhalb kurzer Zeit brachte er eine stattliche Sammlung französischer Impressionisten zusammen, darunter die wertvollsten Stücke wie Edouard Manets „Erschießung Kaiser Maximilians“ und Paul Cézannes „Raucher“. Seine Ankaufspolitik fand aber nicht ungeteilten Beifall. Geäußerten Bedenken, die Sammlung sei nur für Ästheten geeignet, begegnete er lt. Sitzungsprotokoll: „Jede vollwertige Sammlung ist zunächst nur für wenige, aber ihre Aufgabe muss darin bestehen, eine Sammlung für alle zu werden“. Er wollte die ganze Stadt mit Kunst durchdringen. Deshalb gründete er 1911 auch den „Freien Bund zur Einbürgerung der bildenden Kunst in Mannheim“. Vortragsreihen und Kurse der „Akademie für Jedermann“ sollten die Kunsthalle populär machen. In einer viel beachteten „Meisterausstellung“ wurden 100 Werke des 19. Jahrhunderts gezeigt, französische Impressionisten und ihre Vorläufer ebenso wie deutsche Künstler zu gleichen Teilen. Als Beispiele seien nur genannt: Corinth, Liebermann, Hofer und Slevogt. In der Kunsthalle fanden alle bedeutenden Künstler ihren Platz. 1911 erfolgte auch eine Ergänzung des Angebots durch das „Graphische Kabinett“. Natürlich sind in der Kunsthalle nicht nur Impressionisten sondern auch die bekanntesten expressionistischen Maler berücksichtigt, u. a. Heckel, Nolde, Kirchner, Franz Marc, Dix, Marc Chagall, Beckmann, Pechstein, Rohlfs und Grosz. Von all diesen Exponaten – soweit noch vorhanden - kann die Kunsthalle Mannheim heute noch zehren.

Dr. Fritz Wichert wurde 1915 vom Außenministerium nach Berlin geholt. Sein Stellvertreter Dr. Gustav Friedrich Hartlaub führte das Museum bis zu seiner Rückkehr 1919. Bei seiner Rückkehr war nichts mehr wie bei seinem Weggang. Der von ihm gegründete „Freie Bund zur Einbürgerung der bildenden Kunst“ war nicht mehr vorhanden und in der Not der Nachkriegszeit konnte der bei seinem Antritt erzeugte Enthusiasmus nicht mehr aufkommen. Auch zwischen Wichert und Hartlaub, den er 1913 selbst nach Mannheim geholt hatte, stimmte die Chemie nicht mehr. Was ihm aber den Entschluss, eine andere Aufgabe zu übernehmen, erleichtert hat, war der Umstand, dass eine Erweiterung der Kunsthalle, die durch Mittel der Karl und Anna Reiß Stiftung erfolgen sollte, wegen des Krieges und der Inflation in weite Ferne gerückt war. Den Auftrag zur Planung eines Erweiterungsbaus hatte Bruno Schmitz, auf den die Planung des ganzen Friedrichsplatzes zurückgeht, schon lange, aber es bestand keinerlei Aussicht auf eine Realisierung. Wichert folgte deshalb 1923 gerne einem erneuten Ruf nach Frankfurt. Dr. Hartlaub, der sich vor allem der „Moderne“ des 20. Jahrhunderts annahm, wurde der zweite Direktor der Mannheimer Kunsthalle. Tragisches Schicksal: Beide verloren 1933 ihre verantwortlichen Positionen und viele der von ihnen erworbenen wertvollen Exponate, die 1925 in einer großen Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ gezeigt wurden, beschlagnahmten die Nationalsozialisten 1937 als „entartete Kunst“.

1939 wurden 126 Werke aus der Mannheimer Kunsthalle in Luzern versteigert, besser gesagt verschleudert. So erhielt z.B. das Kunstmuseum Basel Chagalls „Rabbiner“ für 1.600 sfr zugeschlagen. Dort ist das Bild geblieben. Nur ein Teil der Bilder und Skulpturen konnte nach 1945 wieder in die Kunsthalle zurückgeholt werden. Vom Verbleib eines weiteren Teils ist nichts bekannt geworden. In verschiedenen Museen der Welt, beispielhaft seien nur einige genannt, wie Saint Louis, Lüttich, New York, Washington, Oslo, Kopenhagen, Basel, aber auch in Stuttgart, München und Köln, befinden sich heute noch als „Zeugnisse des Kulturbolschewismus“ in Mannheim beschlagnahmte Kunstwerke.

Dr. Fritz Wichert starb 1951 in Kampen auf der Insel Sylt, wohin er sich zurückgezogen hatte.

Fritz Wichert, der sich in Mannheim in einer relativ kurzen Zeit, die er hier verbringen durfte, durch sein unermüdliches Schaffen und seine geschickte Ankaufspolitik bleibende Verdienste erworben hat, verdient auch heute noch unsere hohe Anerkennung.

Walter Pahl