Ausgabe 01/ 2000
WALTER PAHL: 90 Jahre Gartenstadt-Genossenschaft
- I. Wie kam es zur Genossenschaftsgründung?
Bebauungsplan für die Gartenstadt Mannheim
Oberbürgermeister Dr. Otto Beck
Generalsekretär Dr. Hans Kampffmeyer
90 Jahre, kein Anlass für festliche Veranstaltungen, aber doch Grund genug, um den Mitgliedern in unserer Zeitung diese Zeitspanne in 12 Beiträgen nahezubringen und damit ihre Identität mit der Genossenschaft zu stärken. In 90 Jahren haben sich zwar Ansichten und Werte gewandelt, aber die Idee, durch gemeinsames Handeln in einer selbst bestimmten Genossenschaft ihre Wohnversorgung sicherzustellen, ist geblieben.
Die rasant fortschreitende Entwicklung der Technik und damit der Industrialisierung, des Handels und des Verkehrs, zog gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Menschen massenweise in die Städte. So auch nach Mannheim, dem damals zweitgrößten Binnenhafen Europas mit seiner bedeutenden Industrieansammlung. Hier konnte jeder Arbeit und Brot finden.
Als Dr. Otto Beck 1891 zum Oberbürgermeister gewählt wurde, hatte Mannheim 80.000 Einwohner, bei seinem Ableben im 62. Lebensjahr 1908 waren es bereits 200.000. Dieses rasche Wachstum führte zu einer heute unvorstellbaren Wohnungsnot, die spekulativen Kräften jede Gewinnmöglichkeit bot. Grundstücks – und Miet-preise stiegen horrend an. Eine Wohnung mit viel Licht, Luft und Sonne konnten sich nur wenige leisten und sie waren auch kaum zu finden. In den Wohngebieten wurde die Bebauung immer enger. Jeder Quadratmeter wurde genutzt. Die vorwiegend kleinen Wohnungen waren zumeist überbelegt. Zwei Kinder in einer 1 Zimmer und Küche – Wohnung waren keine Seltenheit. In etwas größeren Wohnungen wurde, um die Miete zahlen zu können, häufig untervermietet. Manchmal sogar an mehrere Personen. Manches Bett wurde nachts von einer anderen Person als am Tage (Nachtschicht-arbeiter) benutzt.
Die Wohnungsfrage spitzte sich zu einem der wichtigsten sozialen Probleme zu. OB Dr. Beck widmete der Bau – und Bodenpolitik und der Förderung des Wohnungsbaus in mehreren Denkschriften seine Aufmerk-samkeit. Er wurde ein eifriger Befürworter und Förderer des genossenschaftlichen Wohnungs-baus. Nach der Jahrhundert-wende erreichten die wohnungsreformerischen Ideen des Briten Ebenezer Howard, der dort autonome Gartenstädte baute, auch Deutschland. Das Leben im Grünen, das man nur auf dem Lande kannte, nämlich ein Häuschen mit blühendem Garten in der Stadt, das war der Traum vieler Menschen. In Berlin wurde 1902 die “Deutsche Gartenstadtgesellschaft” gegründet. Ihr Generalsekretär Dr. Hans Kampffmeyer fand hier die sein ganzes Leben bestimmende Aufgabe. Er propagierte mit glühendem Reformeifer die faszinierende Idee und hatte damit in vielen Städten Erfolg. Auch in Mannheim fiel der Gedanke auf fruchtbaren Boden. Eingebunden in die Kommune sollte hier in genossenschaftlicher Selbsthilfe und Solidarität eine “Garten-vorstadt” entstehen und vielen Bewohnern der Mietskasernen und Hinterhöfe eine neue Heimat bieten.
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